Alleine der Titel des Kurier-Artikels vom 01.10.2015 ist erschreckend: „Kürzung von acht Stellen bei Schulsozialarbeit in Wiesbaden?“ Da hilft auch das Fragezeichen am Ende nichts mehr. Denn wenn man dann noch den Inhalt dazu nimmt, muss sich spätestens jeder mit Schulwirklichkeit Befasste oder Betroffene fragen, ob es sich womöglich um einen schlechten Scherz handelt.
Noch betont Sozialdezernent Goßmann, dass nicht klar sei, ob tatsächlich Schulsozialarbeiter von den Schulen abgezogen würden. Aber das Signal, welches schon von solchen Überlegungen ausgeht, ist verheerend. Es sorgt für Unruhe und stellt letztlich Fragen nach dem größeren Zusammenhang:
1) Besonders beachtlich ist die Zuspitzung der Streichvorhaben auf die Gesamtschulen Wiesbadens. Sind dies doch diejenigen Schulformen, die mit ihrer bewusst heterogenen Schülerschaft die größte Unterstützung brauchen und in der aktuellen Bemessung der Schulsozialarbeit bereits deutlich an ihre Leistungsgrenzen geraten. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass diese Schulform derart explizit in den Blick genommen wird. Die Schulsozialarbeit ist ein unerlässlicher, auszubauender Bestandteil an jeder Schule. An Gesamtschulen kommt dieser Unterstützung für die ganze Schulgemeinschaft aber eine besonders herausgehobene Bedeutung zu.
2) In allen Schulformen sind aktuell und in naher Zukunft vermehrt Flüchtlingskinder zu erwarten. Dies wird die Schullandschaft im Ganzen vor einige Kraftanstrengungen stellen. In diese Vorbereitungs- und anlaufende Umsetzungsphase mit der Ankündigung der Reduzierung der Schulsozialarbeit in größerem Umfang zu platzen, ist als ausgesprochen unsensibel bis unverantwortlich zu werten. Die Wiesbadener Schulen setzen bei der Integration dieser neuen Schülerinnen und Schüler doch ganz besonders auf die an den Schulen aktiven Sozialarbeiter. Es ist schlicht unverständlich im Angesicht dieser gesamtgesellschaftlichen Herausforderung den Schulen statt weiterer Unterstützung mit derartigen „Vorwarnungen“ zusätzliche Unsicherheit zu bescheren.
3) Darüber hinaus stellt sich die GEW Wiesbaden auch die Frage, ob unter den jetzt angedeuteten Einsparungen in diesem empfindlichen Feld die „Modellregion Inklusion“ überhaupt noch haltbar ist. Die Konsequenz ist eindeutig: Wer so massiv an einem wesentlichen Standbein schulischer Inklusionsarbeit sägt, sollte offen bekennen, dass das Vorzeigeprojekt gescheitert ist. Wenn das Land durch seine restriktive Sparpolitik die „Modellregion“ in Wiesbaden so unter Druck setzt, fragt man sich, wie ernst man das Inklusionsprojekt des Landes überhaupt noch nehmen kann.
Die GEW möchte mit zwei grundsätzlichen Vorurteilen aufräumen:
1) Schulsozialarbeit ist keine freiwillige Leistung von Kommunen, die nach Belieben gekürzt werden kann, wie es in eine Haushaltslogik passt. Schulsozialarbeit ist eine Pflichtleistung des sogenannten Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) bzw. SGB VIII (Sozialgesetzbuch, Achtes Buch).
2) Schulsozialarbeit ist nicht für Lehrerinnen und Lehrer da, sondern für Schülerinnen und Schüler und deren Eltern.
Die Rückmeldungen aus den Wiesbadener Gesamtschulen gegenüber der GEW Wiesbaden sind an dieser Stelle unmissverständlich. So rechnet z.B. die Sophie-und-Hans-Scholl Gesamtschule mit doch erheblichem Verlust bei Angeboten und Aktivitäten – konkret:
– Betreuung des Jahrgangs 10 (d.h. Die Betreuung in berufsbildenden Maßnahmen entfällt)
– Betreuung der Schüler in den Deutschintensivklassen wird deutlich reduziert
– Wochenendangebote werden zurückgeschraubt
Selbst kleinste Kürzungen wie halbe Stellen, so die Rückmeldung, führen unmittelbar zu deutlichen Einbußen: „Das klingt nicht dramatisch, aber ideal besetzt wären wir mit 4-5 vollen Stellen, um alle Aufgaben einer Schule wie unserer im Stadtteil Klarenthal abdecken zu können“. Im Moment stehen noch 3 Stellen zur Verfügung, bei denen Kürzungen erwartet werden müssen.
Für die GEW ist es nicht nachvollziehbar, wie ohne einen politischen Auftrag „einfach mal so“ solch eine einschneidende Kürzung vorgenommen werden kann. Sozialpädagogische Fachkräfte an Schulen sind keine Luxuserscheinung, sie müssen zur Standardversorgung zählen. Somit erscheint es geradezu absurd, wenn in der heutigen Zeit die Haushaltsverantwortlichen hier den Rotstift ansetzen. Der Bildungsauftrag ist sehr wohl auch ein Jugendhilfeauftrag und somit kommunaler Auftrag. Dem kann sich die Kommune nicht einfach entziehen. Das Problem erscheint gegenwärtig kein Finanzproblem, eher eine Frage von Priorisierungen. Kinder und Jugendliche im Sinne des SGB VIII scheinen in Wiesbaden an Lobby zu verlieren.
Die Botschaft, die mit solchen Ankündigungen an den Schulen ankommt, ist eindeutig. Die GEW fordert sowohl das Land als auch die Kommune auf, diesen Kommunikationsschaden umgehend zu korrigieren und sich ausdrücklich hinter die wichtige Schulsozialarbeit zu stellen. Wir erwarten eine klare Positionierung, wie die Gelingensbedingungen für erfolgreiche, schulische Inklusions- und Integrationsarbeit nicht nur gewahrt, sondern auch verbessert werden können. Wer die unter aktuellen Bedingungen ohnehin schwierige Inklusionsarbeit in einer Modellregion derart eklatant gefährdet, muss erklären, wie er sich deren zukünftige Ausgestaltung praktisch vorstellt.
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Kreisverband Wiesbaden