Sehr geehrter Herr Kultusminister Prof. Dr. Lorz,
einige turbulente Wochen liegen hinter uns – die massive Ausbreitung der Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens hat uns alle getroffen. Besonders einschneidend war das Erlebnis für die Schulen und Schüler, die weitgehend unvorbereitet auf das Homeschooling umstellen mussten. Die Schulen und Lehrer haben hierbei ihr Bestes gegeben, aber die vergangenen drei Wochen haben deutlich gezeigt, was Deutschland in den vergangenen Jahren an notwendiger Digitalisierung im Bildungssystem versäumt hat: Gegenüber den Privatschulen sind
die öffentlichen Bildungseinrichtungen weit abgeschlagen und haben in der aktuellen Situation weder die nötige technische Infrastruktur noch ein fundiertes pädagogisches Konzept noch eine entsprechende Vorbereitung der Lehrer für das e-Learning.
Nach der Verkündung der Schulschließungen mussten die Schulen von heute auf morgen zusehen, wie sie auf irgendeine Art Fernunterricht umstellen. Fast alle haben – mit heißer Nadel gestrickt – irgendetwas auf den Weg gebracht, aber die Unterschiede sind gewaltig und quasi jede Schule musste das Rad für sich neu erfinden. Dazu kam, dass es nach unserer Kenntnis sehr wenig klare Anleitungen und Anweisungen für die Schulen gab, ob in den drei Wochen vor den Osterferien nur wiederholt oder auch Neues erarbeitet werden sollte. Dadurch war wiederum jede Schule und teilweise jeder Lehrer auf sich gestellt, für die Schüler und Schülerinnen irgendetwas auf irgendeine Art bereitzustellen. Das Spektrum, das wir von Eltern und Schulen zugetragen bekommen haben, erstreckt sich von kopierten Aufgabenblättern für drei Wochen, über gemailte Wochenpläne bis hin
zu sehr wenigen Fällen von strukturiertem Fernunterricht mit täglichem Kontakt per Email oder mithilfe von Audio- oder Videokonferenzen. Die Unterschiede in der Frequenz und den technischen Kommunikationswegen sind hierbei mehr als vielfältig.
Auch darüber, ob und wie die während dieses Zeitraumes erbrachten Leistungen zu bewerten sind, herrscht nach wie vor Unklarheit: Hier fehlt immer noch eine klare und öffentliche Kommunikation seitens des Kultusministeriums – die einzige Information, die uns dazu Ende vergangener Woche zuging, kam über den Landeselternbeirat. Hier hieß es uns gegenüber, dass keinerlei Benotung für die Zeit des Homeschooling erfolgen darf. Die Schulen hingegen gingen bis zur letzten Woche davon aus, dass die abgegebenen Aufgaben bewertet werden können und sollen. Eine offizielle Information an die Schulen über die Staatlichen Schulämter in Sachen Benotung scheint bis heute nicht erfolgt zu sein.
Aus Elternsicht haben wir in den vergangenen drei Wochen versucht, die Kinder und Schulen bestmöglich zu unterstützen: Alle haben viel Einsatz und Geduld bewiesen, um erstmal „ins Laufen zu kommen“. So kann es aber nicht weitergehen. Ob die Schulen nach Ostern wieder öffnen können, ist aktuell noch nicht abzusehen – das ist verständlich. Dennoch ist es wichtig, dass Schulen, Lehrer, Eltern und Kinder nicht erneut allein gelassen werden, sofern die Schulschließungen weiter anhalten. Deshalb wenden wir uns an Sie und möchten hiermit dringend die Unterstützung des Kultusministeriums einfordern, um folgende Punkte und Fragen zu beantworten:
- Wie werden die Schulen technisch unterstützt, wenn die Phase des Homeschooling weiter andauert? Wie schnell kann beispielsweise das Schulportal Hessen ausgebaut werden, um größere Server- und Speicherkapazitäten zu ermöglichen? Welche Software empfiehlt das HKM den Schulen für Videounterricht – unter Berücksichtigung von Datenschutzvorgaben?
- Wird die Rechtslage dahingehend angepasst, dass Lehrer verpflichtet sind, einen Teil der Stunden als Videounterricht abzuhalten, auch um einen regelmäßigen Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern sicherzustellen wie es auch im Regelunterricht der Fall wäre?
- Welche Benotungsgrundlagen werden seitens des HKM vorgegeben – was darf in die Note einfließen, was nicht? Wie ist mit Leistungsnachweisen für das zweite Halbjahr zu verfahren: Wird die Anzahl der Nachweise reduziert?
- Wie können Schülerinnen und Schüler mangelnde Leistungen aus dem 1. Halbjahr unter den aktuellen Gegebenheiten ausgleichen, um einer eventuellen Nichtversetzung entgegenzuwirken? Welche Grundlagen werden für die diesjährige Versetzung herangezogen, wenn der übliche Umfang an Leistungsnachweisen nicht erbracht werden kann?
- Wie ist der Plan, wenn die Schulen wieder geöffnet werden? Gibt es eine Strategie, um die Kinder gestaffelt zurückzubringen, beispielsweise jüngere Jahrgänge oder Prüfungsjahrgänge zuerst? Sind „Schichten“ im wöchentlichen Wechsel angedacht
- Welche Maßnahmen müssen die Schulen vorbereiten, um Hygiene- und Abstandsvorgaben einhalten zu können?
Wichtig ist, dass Schulen, Lehrer, Eltern und Schülerinnen und Schüler jetzt schnell Planungssicherheit bekommen. Wir wünschen uns, dass die Kommunikation vor allem Richtung der Schulen stark verbessert wird, damit alle Beteiligten verbindliche Rahmenbedingungen haben, mit denen sie arbeiten können.
Die aktuelle Situation ist einmalig – und bietet gleichzeitig auch die einmalige Chance, den
anstehenden Wandel ins digitale Zeitalter zu beschleunigen. Nach den Osterferien brauchen Schulen und Schüler*Innen aber dringend Planungssicherheit, damit sie wissen, wie es weitergeht, wenn es weitergeht. Deshalb hoffen wir auf Ihre Unterstützung, um gemeinsam diese schwierige Phase bestmöglich zu bewältigen. Hierzu bedarf es einer klaren übergeordneten Planung und einer rechtzeitigen Kommunikation an alle Beteiligten.
Sehr geehrter Herr Kultusminister, wir zählen auf Sie und hoffen, baldmöglichst Antworten auf unsere drängenden Fragen zu erhalten.
Wir wünschen Ihnen ein schönes Osterfest – bleiben Sie gesund!
Mit freundlichen Grüßen
Julia Frank David Böhne
Stadtelternbeirat Frankfurt Stadtelternbeirat Wiesbaden
Vorsitzende Vorsitzender
Brief an Kultusminister Lorz (.PDF)