„Tatkraft und Kooperation gegen Antisemitismus an Wiesbadener Schulen“
26. Februar 2024
Wiesbaden: Die GEW Wiesbaden-Rheingau ist entsetzt über die antisemitischen Vorfälle in Wiesbaden, insbesondere an einer Berufsbildenden Schule. Diese Vorfälle zeigen, dass Schulen bei Maßnahmen zur Demokratieförderung unterstützt werden müssen, um eine Kultur des Hinsehens und konsequenten Handelns zu etablieren.
Am 8. Dezember 2023 wurde das Mahnmal am Michelsberg, das an die ermordeten Wiesbadener Juden während des NS-Faschismus erinnert, von Unbekannten mit Hakenkreuzen beschmiert. Während einer Filmvorführung im „Caligari“–Kino in Wiesbaden am 28. Januar 2024 hat eine Gruppe von Schülern am Ende des Films „Die Wannseekonferenz“ applaudiert und gejubelt, als die Zahl der jüdischen Opfer des Holocaust eingeblendet wurde. Im Nachklang ereignete sich an der Schule ein Fall von Körperverletzung durch einen der antisemitischen Claqueure.
Dieser Antisemitismus schockiert uns und zeigt einmal mehr die bedrohliche Atmosphäre, insbesondere für Jüdinnen und Juden. „Diese Vorfälle betten sich ein in den rasanten Anstieg und die Radikalisierung des Antisemitismus nach dem 7. Oktober 2023“, schreibt die Bildungsinitiative Spiegelbild. Die Erfahrungen der vergangenen Wochen zeigen deutlich, dass viele Einrichtungen innerhalb und außerhalb des Bildungssystems von diesen Entwicklungen überfordert und damit alleingelassen sind.
„Lehrkräfte, die sich an ihren Schulen aktiv für ein demokratisches Miteinander und politische Bildung engagieren, brauchen dafür Rückendeckung durch ihre Vorgesetzten und mehr Zeit.“, sagt Chris Hahn, Vorsitzender der GEW Wiesbaden-Rheingau. „Deshalb fordern wir, dass Lehrkräfte in Präventions- und Antidiskriminierungsgruppen flächendeckend zeitliche Unterstützung erhalten. Mit AGs und Schulaktivitäten versuchen sie, ein tolerantes und weltoffenes Klima zu schaffen und in den politischen Diskurs zu gehen. Dazu brauchen sie Entlastung von der regulären Unterrichtsverpflichtung, um ihre wertvolle Arbeit mit ganzer Tatkraft fortführen und ausbauen zu können.“
Schweigen ist keine Lösung
Es hat Tage gedauert, bis dieser Skandal öffentlich wurde. Kultusministerium und Staatliches Schulamt haben nicht alles dafür getan, um hier umgehend Öffentlichkeit zu schaffen. Wie so oft war die Angst zu groß, dass vorschnell die Schule für Teile ihrer SchülerInnenschaft verantwortlich gemacht wird. Diese Annahme ist falsch und diese Haltung ist kontraproduktiv. Zur Konfrontation mit öffentlichem Tun gehört immer auch die öffentliche Ansprache.
Lippenbekenntnisse sind keine Lösung.
Wenn das Ministerium eine aufgetragene Entschuldigung bei der jüdischen Gemeinde als alleinige angemessene Antwort auf den Applaus für die Anzahl der ermordeten und zu Tode drangsalierten JüdInnen ansähe, wäre dies blanker Hohn. Damit würde es sich aktiv an der Verharmlosung und Bagatellisierung des Vorfalls beteiligen. Schule stünde es gut zu Gesicht, statt nur ritualisiert das eigene Bekenntnis zu bemühen, klare Haltung zu zeigen.
So sieht die GEW Wiesbaden-Rheingau die Landesregierung in der Pflicht, Schulen beim Kampf gegen Rechtsextremismus, Islamismus und Antisemitismus stärker zu unterstützen und den interkulturellen Dialog zu stärken. René Prokop, GEW-Kandidat für den Hauptpersonalrat konstatiert: „Die neuesten Ereignisse sind besorgniserregend. Demokratische Werte müssen den SchülerInnen früh nähergebracht werden. Nur so können sie sich zu wehrhaften DemokratInnen entwickeln und nicht in die Fallen der faschistischen und islamistischen Propagandisten tappen.“
Wichtig ist es zudem, die Schulsozialarbeit auszubauen und Initiativen, die sich das Hinhören und die Auseinandersetzung, das Ringen um Meinung und Ansicht und die Möglichkeit der Erkenntnis zur Aufgabe machen, zu unterstützen. „Wir brauchen zusätzliche zweckgebundene Mittel für Konzepte und Zusammenarbeit mit solchen Initiativen. Die Schulleitungen sollten solche Kooperationen öffentlich nachweisen müssen.“, forderte Chris Hahn.
Weiterhin fordert die GEW proaktiven Schutz der KollegInnen und SchülerInnen vor extremistischer Gewalt an den Schulen. Radikalisierte TäterInnen müssen benannt, angezeigt und konsequent der Schulen verwiesen werden, wenn ihnen Straftaten nachgewiesen werden. Schulen müssen sichere Räume zum Leben und Lernen sein.
Schluss mit dem Wegducken und Unter-den-Teppich-Kehren! Nie wieder ist jetzt!