Der „Monitor Lehrerbildung“, erstellt von der Bertelsmann-Stiftung, dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), der Telekom-Stiftung und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (veröffentlicht in Spiegel Online, 14.04.2015), dokumentiert den aktuellen Stand der Lehrerausbildung. In Hessen gibt es danach in keinem Lehramtsstudiengang Pflichtveranstaltungen zur Inklusion, auch sind solche nicht geplant. Hessen bildet damit das Schlusslicht unter den elf untersuchten Bundesländern.
Nachdem die UNO-Behindertenrechtskonvention 2009 in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist, haben die Kultusminister 2011 beschlossen: „Die Länder gewährleisten, dass sich Lehrkräfte aller Schulformen in Aus-, Fort- und Weiterbildungen auf einen inklusiven Unterricht vorbereiten“. Die bisherige Umsetzung in diesem Bereich hingegen lässt den politischen Willen zur Inklusion leider nicht erkennen.
Wir als Eltern fordern die Verantwortlichen auf, in der Lehrerfortbildung verpflichtende Kurse und Praktika zur Inklusion für alle Lehramtsstudenten einzuführen, um Menschen mit Behinderung im inklusiven Unterricht kennenzulernen und Berührungsängste und Unsicherheiten abzubauen.
Unter den Lehrern gibt es – ebenso, wie in der Gesamtgesellschaft – noch etliche Vorurteile und Vorbehalte gegenüber der inklusiven Beschulung von Kindern mit Behinderung, insbesondere bei zielungleich zu unterrichtenden Kindern. Viele Lehrer sind der Meinung, dass eine Sonderschule der beste Förderort sei. Ursache für diese Einschätzung sind oft nicht grundsätzliche Bedenken gegen die Inklusion, sondern eine aus mangelnder Ausbildung und fehlenden Voraussetzungen an den Schulen entstehende Unsicherheit.
Um die mit der UN-Behindertenrechtskonvention qualitätvolle inklusive Beschulung an den Regelschulen für Kinder mit Behinderung in Hessen zu erreichen, muß Hessen eine vorbehaltlose Lehrerschaft und eine Willkommenskultur an Regelschulen schaffen.
Die zukünftigen Lehrkräfte sind ein Garant für die vorurteilsfreie und somit menschenrechtskonforme Beschulung von allen Kindern, also auch der Kinder mit Behinderung. Wenn Lehrkräfte selbst skeptisch sind, ob Inklusion der richtige Weg zur Beschulung von Kindern mit Behinderung ist, ist es äußerst schwierig, Inklusion an Regelschulen als Regelform zu installieren.
Vor diesem Hintergrund nehmen wir auch die Pressemitteilung des HKM vom 15.04.2015 zur Kenntnis. Wir freuen uns, dass vermehrt Kinder mit Förderbedarf oder Behinderung die Regelschulen besuchen. Trotzdem ist Hessen mit seiner Inklusionsquote weiterhin eines der Schlusslichter in Deutschland.
Die Pressemitteilung selbst nennt in Hessen 51 Familien, deren beeinträchtigten Kindern die Teilhabe am normalen gesellschaftlichen Leben nicht ermöglicht werden kann. Der Stadtelternbeirat Wiesbaden bittet daher das Land Hessen alle Anstrengungen zu unternehmen, um die fachlichen und personellen Ausstattung bereit zu stellen, die auch in diesen Fällen eine Beschulung ermöglichen. Unser gemeinsames Anliegen muß es sein, jegliche Aussonderung auf Grund einer Behinderung zu vermeiden.
Durch die Inklusion als Regelbeschulung für Kinder mit Behinderung gemäß dem neuen Hessischen Schulgesetz von 2012 wurden viele Erwartungen von Eltern mit Behinderung geweckt, dass ihre Kinder endlich als Teil der Gesellschaft die Regelschule besuchen können. Die Eltern sind jedoch häufig von der Qualität der Regelbeschulung enttäuscht, die nicht den Bedürfnissen der Kinder entspricht.
Derzeit stellt sich die Situation so dar, dass die Kinder mit Behinderung zwar in die Schulen dürfen, dort aber keineswegs eine qualitätvolle, also ihren Ansprüchen gerecht werdende, Beschulung sichergestellt ist. Diese kann nur mit einem Plan erreicht werden, dessen Grundlage die Lehrerfortbildung sein muß.
Viele Berichte von Eltern zeigen, dass eine „leichte Inklusion“ inzwischen akzeptiert ist, es aber häufig zum Scheitern der Inklusion führt, wenn eine inklusive Beschulung zu viele Ressourcen oder Umstrukturierung des Unterrichts erfordert oder Lehrer sich überfordert fühlen.
Das Land Hessen muss mit Maßnahmen antworten, die
- die Sicherstellung des qualitätvollen inklusiven Unterrichts gewährleistet,
- Schulen zusätzliche sachliche und personelle Ressourcen bereitstellen, sofern das in Einzelfällen erforderlich ist,
- Unterstützung mit zusätzlichem oder Austausch von Fachpersonal bereitstellt,
- Verpflichtende Veranstaltungen zur Inklusion für Lehramtsstudenten (Erfahrungsaustausch mit Inklusionslehrern, Praktika mit Menschen mit Behinderung) und entsprechende Fortbildungen für jetzt tätige Regelschullehrer sicherstellt.
Wir sind bereit, an einer gemeinsamen Umsetzung mitzuwirken und unseren Teil dazu beizutragen, dass Inklusion in Hessen wirklich gelebt wird.
gez. Stadtelternbeirat Wiesbaden
Wiesbaden, 30.04.2015
Standpunkt Inklusion (.PDF)