Gemeinsame Stellungsnahme der hessischen Kreis- und Stadtelternbeiräte und des Landeselternbeirats von Hessen
Oktober 2016
Sexualerziehung in Schulen
Der zum neuen Schuljahr in Kraft getretene neue hessische Lehrplan zur Sexualerziehung war zuvor zweimal vom Landeselternbeirat abgelehnt worden. Diese Ablehnung erfolgte aus Gründen, die in den nachfolgenden Presseberichten aber nur punktuell erkennbar geworden sind. Die darauf folgenden Reaktionen von verschiedenen Seiten in der Öffentlichkeit lassen es geboten erscheinen, zum Selbstverständnis der Elternvertretungen und den Gründen für die Ablehnung des Lehrplans ausführlicher Stellung zu nehmen.
Die Hessischen Kreis- und Stadtelternbeiräte und der Landeselternbeirat sind die demokratisch gewählten, überparteilichen und unabhängigen Vertretungen aller Eltern an allen hessischen Schulen und verwahren sich deshalb gegen eine Vereinnahmung von politischen Parteien und Gruppierungen gleich welcher Couleur.
In der Sache selbst hat der Landeselternbeirat sowohl fachliche als auch inhaltliche Kritik geäußert. In der Frage ob in einem Lehrplan die Toleranz oder die Akzeptanz von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, trans- und intersexuellen Menschen Unterrichtsziel sein sollte, hat sich eine Mehrheit für den Begriff der Toleranz ausgesprochen. Dies geschah im Wissen darum, dass in der hessischen Elternschaft zwar ein sehr weites Spektrum von Wertvorstellungen vorhanden ist, Toleranz aber die Haltung ist, die von allen Beteiligten eingefordert werden kann und muss, um ein gedeihliches Miteinander in unserer Gesellschaft zu gewährleisten.
Die hessischen Elternvertretungen distanzieren sich deshalb auch deutlich von der geplanten „Demo für Alle“ und werden sich dieser Kundgebung nicht anschließen. Es ist nicht eindeutig geklärt, in welchem Alter welche fachwissenschaftlichen Begrifflichkeiten vermittelt werden sollen. Bestehenden kulturellen Unterschieden, die ggf. in kleineren Gruppen besser aufgefangen werden können, wird nicht ausreichend Rechnung getragen.
Der Schutzgedanke kommt zu kurz. Insbesondere interreligiöse, strittige Punkte wie Zwangsehen, Kinderehen oder Mehr-Ehen mit Minderjährigen werden nicht in geeigneter Weise thematisiert. So ist die Frage unbeantwortet, wie beispielsweise Kinder vor sexuellem Missbrauch geschützt werden können, wenn sie bereits in Kinderehe verheiratet sind. Solche und andere Fragen sind nicht eindeutig geklärt.
Dies ist insbesondere deshalb kritisch zu sehen, da die bisherige Handreichung zum Umgang mit dem Lehrplan Sexualerziehung vom Kultusministerium nicht angepasst und neu aufgelegt werden soll. Die Lehrkräfte, auf deren Sensibilität im Umgang mit allen Kindern es ganz entscheidend ankommt, bleiben in der Umsetzung des Lehrplans auf sich allein gestellt.
Nach dem geltenden – wie auch dem Entwurf für ein novelliertes – Schulgesetz haben die Eltern einen Anspruch darauf, rechtzeitig über Ziel, Inhalt und Formen der Sexualerziehung unterrichtet zu werden. Die hessischen Elternvertretungen empfehlen deshalb allen Eltern dringend, von diesem Recht Gebrauch zu machen und sich von den Lehrkräften erläutern zu lassen, mit welchen pädagogischen Methoden und Mittel die Inhalte des Lehrplans vermittelt werden sollen. Diese Information muss den Eltern in einem Elternabend vorher mitgeteilt werden, damit sie Gelegenheit haben, mit ihren Kindern vorher darüber zu sprechen und sie auf diese Unterrichtsinhalte vorzubereiten.